Phase 1: Ermittlung durch die Polizei
... aus der Sicht der Behörden:
Nach einer Straftat gibt es zunächst zwei Möglichkeiten: Entweder die Polizei ermittelt von Amts wegen nach einer Strafanzeige (das sind die sog. Offizialdelikte wie z. B. Mord, Totschlag, Vergewaltigung, schwere oder gefährliche Körperverletzung, Raub, Betrug, Urkundenfälschung) oder auf Grund eines Strafantrags. Je nach Delikt ermitteln Beamte eines Polizeireviers oder der Kriminalpolizei die Tatumstände, befragen Tatverdächtige, Opfer, Zeugen und sichern Beweismittel. Sind diese Ermittlungen vor Ort abgeschlossen, werden sie an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet – für den Schwarzwald-Baar-Kreis ist das in der Regel die Staatsanwaltschaft Konstanz.
... aus der Sicht des Opfers:
Wird noch nicht ermittelt, weil die Straftat den Behörden noch nicht bekannt ist, kann das Opfer bei jeder Polizeidienststelle Anzeige erstatten. Der WEISSE RING macht die Unterstützung von Kriminalitätsopfern nicht davon abhängig, ob sie Anzeige erstatten, begleitet sie aber auf Wunsch zur Polizei. Eine Anzeige hilft nicht in jedem Fall weiter, das gilt vor allem in den Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht. Wenn das Opfer therapeutische Hilfe benötigt, kann der WEISSE RING mithelfen, eine Therapeutin/einen Therapeuten zu finden. Ein Scheck des WEISSEN RINGS für eine „Psychotraumatologische Erstberatung“ im Wert von 190,00 € kann dabei helfen.
Phase 2. Prüfung durch die Staatsanwaltschaft ...
... aus der Sicht der Behörden:
Die Staatsanwaltschaft überprüft die Ermittlungsunterlagen daraufhin, ob Anklage beim zuständigen Amtsgericht oder Landgericht erhoben wird oder nicht. Anklage wird grundsätzlich dann erhoben, wenn Aussicht auf eine Verurteilung des/der Tatverdächtigen besteht.
... aus der Sicht des Opfers:
Einsicht in die Ermittlungsunterlagen, sog. Akteneinsicht, erhält nur ein Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin. Deshalb ist es in diesem Stadium oft sinnvoll, einen Rechtsbeistand mit der Wahrung der Interessen des Opfers zu beauftragen. Der WEISSE RING stellt dafür einen „Scheck für die anwaltliche Erstberatung“ in Höhe von 190,00 € zur Verfügung.
Phase 3. Die Staatsanwaltschaft erlässt einen Strafbefehl oder klagt an oder lehnt die Anklageerhebung ab ...
... aus der Sicht der Behörden:
Reichen die Ermittlungsergebnisse der Polizei nach Ansicht der Staatsanwaltschaft für eine Verurteilung nicht aus – wenn z. B. Aussage gegen Aussage steht -, stellt sie das Verfahren ein. Es kommt weder zu einem Strafbefehl noch zu einer Gerichtsverhandlung. Bei Vergehen, die mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind, kann die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellen. Das Gericht kann den Strafbefehl erlassen oder ablehnen oder zur weiteren Klärung des Falls eine Hauptverhandlung ansetzen. Wenn die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift beim Gericht eingereicht hat, entscheidet das Gericht, ob und wann ein Hauptverfahren eröffnet wird und welche Zeugen gehört werden sollen.
... aus der Sicht des Opfers:
Eine Einstellung des Verfahrens mangels Beweisen heißt nicht, dass die Tat so nicht geschehen ist, wie das Opfer glaubhaft versichert, sondern bedeutet nur, dass dem oder den Tatverdächtigen eine Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Das Opfer wird nicht automatisch über eine Einstellung des Verfahrens oder über den Erlass eines Strafbefehls unterrichtet, kann aber bereits bei der Anzeigenerstattung eine Einstellungsnachricht beantragen. Wenn man keine anwaltliche Vertretung hat, muss man gegebenenfalls direkt bei der Polizei nachfragen. Legt der/die Beschuldigte innerhalb von zwei Wochen Einspruch gegen den Strafbefehl ein, kann das Gericht ohne Verhandlung einen Beschluss fassen. Der Angeschuldigte kann mit einem generellen Widerspruch aber auch eine mündliche Gerichtsverhandlung erreichen. Kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, wird man oft als Zeuge geladen.
Phase 4. Die Gerichtsverhandlung in einem Strafverfahren ...
... aus der Sicht der Behörden:
Nach dem Verlesen der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft will sich das Gericht ein genaues Bild von Tat und Tatbeteiligten machen und benötigt dafür Aussagen von Polizei, Zeugen und evtl. Sachverständigen am Verhandlungstag. Der/die Angeklagte wird ebenfalls zur Tat befragt, kann aber Aussagen zum Tathergang verweigern. Nach der Beweisaufnahme halten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers (Schlussvorträge), anschließend hat der/die Angeklagte das letzte Wort. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück und verkündet anschließend das Urteil.
... aus der Sicht des Opfers:
Wird das Opfer als Zeuge geladen, ist die Anwesenheit während der Verhandlung vor der Zeugenaussage nicht gestattet, es sei denn, dass das Opfer als Nebenkläger/Nebenklägerin ein Anwesenheitsrecht hat. Nach der Aussage ist es dem Opfer freigestellt, den Gerichtssaal zu verlassen, vom Zuschauerraum aus die weitere Verhandlung mitzuverfolgen oder als Nebenkläger/in daran teilzunehmen. In vielen Fällen ist es ratsam, einen Anwalt oder eine Anwältin zu beauftragen, die Interessen des Opfers zu vertreten. Das ist insbesondere bei einer Nebenklage empfehlenswert, bei der ein Opfer sich bei bestimmten Straftaten (z. B. Sexualdelikte, schwere Körperverletzung, Nötigung, Erpressung, Raub, Einbruch, Tötungsdelikte) der staatsanwaltschaftlichen Anklage anschließen kann. Unabhängig von einer Nebenklage kann auch die Frage eines Schmerzensgelds in die Verhandlung mit aufgenommen werden (sogen. Adhäsionsverfahren). Wenn man nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, kann man Prozesskostenhilfe zur Deckung der Anwalts- und Gerichtskosten durch den Staat beantragen. Auf Wunsch des Opfers können Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter des WEISSEN RINGS als Beistand an der gesamten Verhandlung teilnehmen.
Informationen zur Zeugenaussage: siehe Zeugenbegleitung und Zeugenbetreuung, WEISSER RING, Außenstelle Schwarzwald-Baar-Kreis:
https://schwarzwald-baar-kreis-baden-wuerttemberg.weisser-ring.de/zeugenbegleitung-und-zeugenbetreuung
Weitergehende Informationen findet man unter der neuen Opferschutzplattform des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz:
http://Hilfe-Info.de
Über allgemeine Opferrechte informiert der WEISSE RING auf folgenden Seiten:
https://weisser-ring.de/hilfe/wissenswertes/opferrechte
https://infovictims.de/de/ich-bin-von-einer-straftat-betroffen-wie-soll-ich-reagieren/ich-wurde-opfer-einer-straftat-was